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Marion Dönhoff über Alice Schwarzer: »Niemand hat mich so treffend beschrieben wie sie.«Im Jahr 2009 wäre die große Journalistin Marion Gräfin Dönhoff 100 Jahre alt geworden. Anlass genug, Alice Schwarzers hochgelobte Biografie über die ehemalige Herausgeberin und Chefredakteurin der Zeit in einer Neuausgabe vorzulegen.Zwei Journalistinnen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, scheinbar – und die selber doch um ihre tiefen Gemeinsamkeiten wissen. 1987 hat die Emma-Herausgeberin die Zeit-Herausgeberin erstmals für ihr Blatt porträtiert. Neun Jahre später schreibt sie die erste Biografie über Dönhoff. Voran gingen zahllose Gespräche, gemeinsame Reisen und breite Recherchen im intimsten Lebenskreis von Dönhoff.Herausgekommen ist eine Biografie, die sowohl die Journalistin als auch die Frau erfasst. Alice Schwarzer holt die »Gräfin« vom Piedestal und zeigt uns überraschende Aspekte des lebendigen Menschen. Sie kommt sehr dicht an die Unnahbare heran, ohne ihr jemals zu nahe zu treten.
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Ich kam mit [a:Marion Gräfin Dönhoff 518038 Marion Gräfin Dönhoff https://images.gr-assets.com/authors/1361829081p2/518038.jpg] zum ersten Mal bewußt in Berührung als ich über den 20. Juli 1944 las. Denn bereits zum ersten Jahrestag 1945 schrieb Dönhoff »In Memoriam 20. Juli 1944. Den Freunden zum Gedächtnis« über ihre Freunde aus dem Widerstand gegen Hitler, die von den Nazis ermordet worden waren.Daraus entstand ihr 1994 veröffentlichtes Buch “[b:Um der Ehre willen. Erinnerungen an die Freunde vom 20. Juli 3214942 Um der Ehre willen. Erinnerungen an die Freunde vom 20. Juli Marion Gräfin Dönhoff https://i.gr-assets.com/images/S/compressed.photo.goodreads.com/books/1358849759l/3214942.SY75.jpg 3248782]”, das ich als überaus beachtlich empfand und dessen lebendige Schilderungen einen kleinen Einblick jenseits der Geschichtsbücher in diese Persönlichkeiten erlaubt.Die Namen - allen voran Claus Schenk Graf von Stauffenberg - sind mir wohlbekannt und doch gewinnen sie im Rahmen der behutsamen Aufarbeitung der Dönhoff'schen Erinnerungen an sie durch eine großartige [a:Alice Schwarzer 59576 Alice Schwarzer https://images.gr-assets.com/authors/1477212420p2/59576.jpg] neues Profil. Ganz besonders Dönhoffs Gefährte aus Kinder- und Jugendtagen, Heinrich Graf Lehndorff.Wenn es um “Heini Lehndorff” geht, ist es das eine, um diesen Mann aus Wikipedia zu wissen. Etwas völlig anderes aber, wenn Dönhoff sich an diesen Jungen erinnert, mit dem sie auf Bäume geklettert ist, den sie im Eiskeller vergessen hat und dem sie “Kräheneier direkt ins Gesicht geprustet” hat. Die Unmittelbarkeit dieser Erinnerungen, die zumindest eine blasse Ahnung von dem Menschen ergibt, ist mir sehr tief unter die Haut gegangen.Ob aber als einziges Mädchen ihrer Klasse auf dem Jungengymnasium, als Teils des “harten Kern des Widerstandes gegen Hitler” oder - nicht schön, aber doch für die Zeit beachtlich, “mit dem von ihr in Kenia erlegten Leoparden”; Dönhoff tat, was ihrer Meinung nach zu tun war. Vor, während und nach dem Krieg; unbeirrbar und unbeugsam.Auch das “zweite Leben” als Journalistin für “Die Zeit” (und zeitweise auch andere Zeitungen) wird von Alice Schwarzer ruhig und in wohltuend gediegener Sprache dargestellt. Mehr als 50 Jahre lang hat Dönhoff “Die Zeit” maßgeblich in verschiedenen Rollen geprägt.Ein bißchen kurz kommen die einzelnen Stationen zum Teil schon, aber dafür ist das durch Alice Schwarzer von Marion Gräfin Dönhoff gezeichnete Bild doch klar: Es muß sich um eine Frau gehandelt haben, die ihren Weg auch gegen alle Widerstände gegangen ist und die sich einerseits gegen Hitler verschworen hat, sich aber Jahrzehnte später “über Pumuckl halb tot lachen kann”.Trotz dieser Nähe gelingt es Schwarzer dennoch, eine gewisse Distanz aufrecht zu erhalten und ihr Sujet ehrlich und manchmal auch ein wenig kritisch zu beleuchten. Es ist diese Mischung von Distanz und Nähe, von offensichtlicher Bewunderung und kritischem Hinterfragen, die aber das große Verdienst Alice Schwarzers ausmachen.Die ersten zwei Drittel des Buches bestehen also einer guten Biographie Schwarzers über Gräfin Dönhoff, die danach noch in Interviews mit Schwarzer sozusagen selbst zu Wort kommt. Auch diese Gespräche sind überaus lesenswert.Zum Schluß finden sich noch eine Sammlung von Auszügen wichtiger Artikel Dönhoffs aus der “Zeit”, so z. B. “Was heißt Widerstand” von 1989 und viele weitere. Beim Schreiben dieser Rezension habe ich mich immer wieder in diesen Artikeln “fest gelesen” und festgestellt, wie modern und progressiv Marion Gräfin Dönhoff gewesen sein muß.Immer wieder “angereichert” wird diese wunderbare Biographie noch durch zahlreiche Fotos von den verschiedensten Stationen des Lebens von Dönhoff.Insofern ist “Marion Dönhoff: Ein widerständiges Leben” ein überaus lesenswertes Werk, das Geschichte lebendig und beinahe erlebbar werden läßt. Blog Facebook Twitter Instagram